Hilfe, mein Hund zieht! Teil 1
Die lockere Leine – Ist das wirklich so kompliziert?
Kennst Du das? Es ist Montag morgen, 07:00 Uhr. Du bist bereits aufgestanden, hast Dich umgezogen und jetzt folgt der nächste Punkt der Tagesordnung: Der erste Spaziergang mit Deinem Hund. Während viele Hundehalter locker-flockig die Leine in die Hand nehmen und sich in freudiger Erwartung mit dem Hund auf den Weg in die Natur machen, ist man selbst auch schon in großer Erwartung – auf einen nicht so entspannten Spaziergang mit einem Hund, der keuchend in der Leine hängt und von A nach B zieht; mit Frauchen oder Herrchen hinten dran und ohne Rücksicht auf der Schultergelenk. So oder so ähnlich. Manche Hunde ziehen weniger stark, andere sind allerdings schon so erregt beim Öffnen der Haustür, dass der kleinste Grund ausreicht, damit sie quasi explodieren.
Ich weiß, wie Du Dich fühlst…
Vorweg einmal: Ich weiß, wie Du Dich fühlst. Für sehr viele Hundbesitzer ist die Leinenführigkeit eines der am schwersten beizubringenden Verhaltensweisen und auch bei mir und meinen beiden Hunden war (oder ist ) die Trainingszeit – sagen wir mal – lang und intensiv . Auch einige meiner Kunden müssen sich diesem Trainingsziel länger widmen, was auch ein Grund für diese kleine 3-teilige Blog-Serie ist. In diesem Artikel wird es darum gehen, warum dieses Ziel so schwer erreichbar zu sein scheint und um das Verhalten an sich. Der zweite Artikel wird sich mit den häufigsten Trainingsfehlern befassen, während der dritte Teil verschiedene Trainingsmethoden beschreiben wird.
Aber um noch mal zur Eingangsfrage zurück zu kommen, warum ist das ein so häufig auftretendes Problem?
Aus Sicht des Menschen: „Nicht mehr ziehen reicht vollkommen“
Wenn ich meine Kunden frage, was sie sich von ihrem Hund wünschen, ist die häufigste Antwort: „Naja, mir würde schon reichen, wenn er nicht mehr so sehr zieht.“ Was sich so simpel anhört, … tja, hört sich auch nur so simpel an. Bitte denke jetzt nicht an einen rosa Elefanten! Schaffst du es? Die meisten Menschen schaffen es nicht, was auch völlig normal ist. Wahrnehmungen werden rasend schnell weiter geleitet und von unserem Gehirn verarbeitet. An etwas bestimmtes nicht zu denken, stellt uns vor eine Herausforderung.
Deshalb ist hier schon die erste Schwierigkeit: Einem Hund etwas beizubringen, ist mit der richtigen Trainingsmethode und einem guten Plan in der Regel kein Problem. Einem Hund etwas nicht beizubringen, bzw. ihm etwas wieder abzugewöhnen ist komplizierter. Es wird noch schwieriger, wenn der Hund dieses Verhalten schon sehr oft gezeigt und damit auch noch Erfolg hatte (Hat sich Dein Arm auch schon mal verlängert und nachgegeben, wenn Dein Hund gezogen hat? ). Einfach verbieten ist keine gute Option. Würde es funktionieren, würde man es ja einfach tun. Auf diese Idee sind viele verzweifelte Hundehalter schon gekommen. Konzentriert der Hundebesitzer sich also genau darauf, dass der Hund etwas nicht tun soll, ist es schwer dem Hund beizubringen, was er denn eigentlich tun soll und wann er etwas richtig macht. Vor allem dann, wenn der Mensch noch nicht einmal weiß, was der Hund denn eigentlich tun soll. Er wird immer dann aufmerksam und reagiert, wenn es eigentlich schon zu spät ist, also wenn der Hund bereits zieht. Es entwickelt sich ein kleiner Teufelskreis: Hund zieht –> Mensch reagiert/ bestraft –> Hund zieht wieder –> Mensch ist genervt –> reagiert/ bestraft –> Hund wird gestresst…. Was der Hund nicht gezeigt bekommt: Wann verhält er sich denn wie gewünscht?!
Übrigens: Eine Studie hat ergeben, dass Hunde, die mit aversiven Mitteln (also straf-orientiert) erzogen werden, gestresster sind als Hunde, die positiv (belohnungs-orientiert) erzogen werden.
Aus Sicht des Hundes: „Nicht mehr ziehen reicht vollkommen“
Wenn wir uns das eigentliche Ziel einmal im Detail anschauen, wird die Komplexität dieses einfach aussehenden Verhaltens etwas deutlicher. Gehen wir noch einmal zurück zu dem Beispiel aus der Einleitung. Du greifst also zur Leine, um den Karabiner im Halsband einzuklicken. Dann öffnest Du die Haustür, Dein Hund in entspannter Haltung bei/neben Dir.
Ihr verlasst das Haus und macht euch auf den Weg ins Grüne. Unterwegs begegnet ihr anderen Menschen, Joggern, Kindern, Fahrradfahrern und anderen Tieren – Dein Hund bleibt neben Dir. Einer der Hunde – Nachbars Lumpi – ist heute nicht gut drauf und macht mal wieder einen Riesenradau, als ihr an dem Grundstück vorbei kommt. Dein Hund bleibt natürlich entspannt und geht nicht auf den Rivalen ein. Ihr müsst eine Straße überqueren. Du wirst langsamer, bleibst stehen – Dein Hund hat Dich im Auge, reduziert das Tempo, bleibt auch stehen oder setzt sich hin. Später auf dem Weg überlegst Du Dir spontan, eine andere Straße zu nehmen und biegst rechts ab, was Dein Hund sofort zur Kenntnis nimmt und geht gemeinsam mit Dir. Du musst allerdings etwas schneller gehen, da ein Auto kommt. Dein Hund wird ebenfalls schneller und trabt auf Deiner Höhe. Als ihr an der Wiese ankommt, leinst Du ihn ab und nun darf er alles tun, was vorhin tabu war: Vor Dir laufen, rechts und links schnüffeln, die Hundekumpels begrüßen. So lange, bis Du ihn rufst, ihn anleinst und ihr euch auf den Rückweg macht.
Dies wäre wohl der Idealfall, den sich viele Hundemenschen wünschen. Bei all diesen kleinen Sequenzen, die unterwegs passieren, werden verschiedenste Themen angesprochen, die Dein Hund in seinem bisherigen Leben gelernt haben muss:
- Er orientiert sich an Dir mit seinen Sinnen, hat Dich immer ein Stück im Blick (oder im Ohr )
- Er beachtet die Leinenlänge, die Du ihm gibst, bleibt aber flexibel, wenn Du die Leine kürzt
- Er achtet selber auf die Leinenspannung und widersteht verschiedensten Ablenkungen
- Er weiß, dass Bewegungsreize nicht gejagt werden
- Er kann Frust ertragen und Impulsen widerstehen
- Außerdem ignoriert er Duftmarken anderer Hunde auf dem Weg und reagiert nicht auf das Gebell anderer Hunde (denn er fühlt sich bei Dir sicher)
- Und er kennt den Unterschied zwischen Leine dran und Leine ab…
Ganz schön viel, oder?
Vielleicht sehen die Spaziergänge bei euch auch anders aus. An diesem Beispiel möchte ich lediglich die Komplexität von dem verdeutlichen, was wir von unserem Hund erwarten. Gleichzeitig bedeutet das, dass der Hund dies alles auch ignorieren kann, bzw. es gelernt hat. Zudem soll Dein Hund die Leinenführigkeit nicht nur kurz zeigen, sondern während des gesamten Spaziergangs (bzw. bis du ihn ableinst) und er soll sich so verhalten, sobald ihr unterwegs seid.
Lerntheorie und Emotionen
Bedenken wir die Lerntheorie vom Hund, wissen wir, dass andere Dinge, wie zum Beispiel die Umgebung in das Training mit einbezogen werden – sie lernen im Kontext. Genauer gesagt bedeutet das, dass unser Hund eben nicht nur verknüpft „Wenn mein Mensch >Sitz< sagt und mich dabei anschaut, bewege ich meinen Popo in Richtung Boden“, sondern „Wenn mein Mensch >Sitz< sagt, mich dabei anschaut, wir uns im Wohnzimmer auf dem Teppich befinden und er ganz entspannt vor mir steht, bewege ich meinen Popo in Richtung Boden“. Dass Dein Hund sich genau so auch verhalten soll, wenn die Katze aus dem Gebüsch über die Straße huscht, ist ihm ohne Training nicht klar. Zurück zur Leinenführigkeit: Klappt es auf dem Hundeplatz in der Welpenstunde gut, klappt es nicht automatisch im eigenen Garten, auf der Hundewiese oder im Wald.
Einen letzten Punkt möchte ich an dieser Stelle noch aufgreifen: Die Emotion, die mit der Leine verknüpft wird. Während der Mensch die Leine häufig als lästig (vom Gefühl her) einstuft und sie nur dann nutzt, wenn er es muss (es kommt ein anderer Mensch, an der Straße etc.), bedeutet sie für den Hund häufig das Ende vom Spaß. Darüber hinaus kann Dein Hund an der Leine nicht einfach ausweichen, wenn euch jemand entgegen kommt und Gesten zur Beschwichtigung schwerer einsetzen. Seine Kommunikationsmöglichkeiten sind also eingeschränkt. Dann ist es umso wichtiger, dass Du ihn verstehst, um ihn optimal zu unterstützen sowie deeskalierendes Verhalten zu fördern. Insgesamt sollte die Leine für euch beide auch Spaß bedeuten und vor allem Schutz, Sicherheit und Führung geben.
Euer bisheriges Zusammenleben: „Was bisher geschah…“
Auch ein erwachsener Hund kann definitiv lernen, an lockerer Leine zu laufen. Durch den automatischen Folgetrieb bei Welpen in den ersten Wochen im neuen Zuhause ist die Ausgangssituation hier etwas leichter. Ein kleiner Welpe hatte mit schlechten Verhaltensweisen beim Menschen noch keinen Erfolg. Wir haben einfach ein weißes Blatt Papier vor uns, das wir noch relativ leicht formen und fördern können. Aber auch ein Welpe will erzogen werden und das konsequent von Anfang an. Umso klarer die Regeln vom ersten Tag im neuen Zuhause an sind, desto einfacher und verständlicher ist es. Dies gilt auch für die Leinenführigkeit. Auch, wenn der kleine Knirps sich gar nicht weit von uns entfernt. Und auch, wenn am Anfang alles einfach ist. Lässt Du ihn erstmal nur ohne Leine laufen und forderst erst in der Pubertät, wenn es beginnt schwierig zu werden, das Laufen an lockerer Leine, wird es jetzt umso schwerer.
Während der Pubertät finden im Hundegehirn viele Umbaumaßnahmen statt. Die Hormone scheinen verrückt zu spielen und der Hund entwickelt sich weiter. Das Hirn sortiert nun sehr fein, was die wichtigen Dinge sind und was unwichtige Dinge sind, sprich: Welche Verknüpfungen und Verhaltensweisen werden häufig benötigt und welche nicht? Zurück zu unserem Welpen: Läuft er die ganze Zeit ohne Leine, vergisst er noch schneller, wie er sich an der Leine eigentlich verhalten soll.
Um noch einmal auf das Thema Orientierung zu kommen: Dein Welpe entdeckt gerade diese komplexe und aufregende Welt, die Du ihm zeigst. Im besten Fall bist Du bei ihm und kannst ihn in schwierigen Situationen unterstützen. Du kannst ihm zeigen, dass eine umgekippte Mülltonne gar nicht so gefährlich ist oder dass es sich viel mehr lohnt bei Dir zu bleiben als dem Vogel hinterher zu jagen. So lernt er, dass er sich auf Dich verlassen kann und Du sinnvolle Entscheidung für euer kleines Rudel triffst. Dass Dein heranwachsender Hund bei manchen Dingen urplötzlich Angst bekommt, unsicher wird und einfach nicht weiß, wie er sich verhalten soll, ist völlig normal. Wichtig ist, dass Du dann da bist und ihm Hilfestellung gibst. Bist Du aber immer relativ weit entfernt, ist das schwer möglich. Und dann kommt der Moment, an dem wir Menschen nun doch möchten, dass sich unser Hund vollkommen an uns orientiert, obwohl er bis dato gelernt hat, Entscheidungen selber zu treffen (15 Meter entfernt vom Menschen) und dass sein Halter ihm keine Hilfe ist, wenn er nicht weiß, wie er sich verhalten soll.
Fazit
In diesem ersten Teil der kleinen Blogartikel-Serie haben wir uns mit dem Verhalten befasst, das wir uns von unserem Hund an der Leine wünschen. Wenn wir uns nur darauf konzentrieren, was unser Hund nicht tun soll, nämlich ziehen, dann wird der Weg zum Ziel sehr schwer. Er muss dazu viele Dinge ignorieren können, bzw. sehr viele gelernt haben, was ein vorheriges Training nach Plan und Anleitung von uns Menschen voraussetzt. Dazu sollten wir bedenken, dass unser Hund andere Wahrnehmungen aus der Umgebung mit in das Training einbezieht und wir ihm in kleinen Schritten beibringen müssen, was denn das eigentliche Signal ist und was nicht zum Signal dazugehört, wie er sich verhalten soll und wo die Grenzen sind. Ein weiterer Punkt ist unser bisheriger Umgang mit unserem Hund und ob Regeln von Anfang an gelten und wir wichtiges und richtiges Verhalten von Anfang an fördern. Möchte ich, dass mein Hund sich später an mir orientieren soll, muss ich dann bei ihm sein und Hilfestellung geben, wenn eine Entscheidung getroffen werden muss (Soll ich die Mülltonne angreifen oder lieber fliehen?).
Nächste Woche werde ich genauer auf typische Trainingsfehler eingehen, die sich bei der Leinenführigkeit einschleichen können. Im dritten Artikel wird es dann um verschiedene Trainingsansätze gehen.
Hast du Fragen zu diesem Artikel oder kommst Du mit Deinem eigenen Hund nicht weiter? In Deinem individuellen Coaching beleuchten wir ganz speziell eure Situation, erstellen einen Trainingsplan und setzen ihn Stück für Stück um. Ich freue mich über Deine Rückmeldung.
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