Hilfe, mein Hund zieht! Teil 2

Typische Trainingsfehler, die Du vermeiden solltest

Rückblick: Blogartikel „Hilfe, mein Hund zieht! Teil 1“

Letzte Woche haben wir uns die Komplexität des Verhaltens angeschaut, das wir uns von unserem Hund an der Leine wünschen. Einmal aus der Perspektive des Menschen und auch aus der Perspektive des Hundes. Außerdem ging es darum, wie die bisherige Entwicklung Deines Hundes und euer Zusammenleben (Regeln, Routine, Freiraum) Einfluss auf das Training nehmen kann. Hast Du den ersten Teil dieser Blog-Serie verpasst, kannst Du ihn Dir hier durchlesen.

In meinen Coachings für Halter und ihren Hund ist die Leinenführigkeit ein sehr häufiges Thema. In meiner Umfrage, welche Themen euch als Blogartikel interessieren würden, wurde das Laufen an lockerer Leine ebenfalls genannt. Das ist der Grund für die Entstehung dieser Blogartikel-Serie. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass das Training auf dem Weg zu einem entspannten Spaziergang sehr lang und auch frustrierend sein kann – für den Menschen sowie für den Hund. Es existieren viele verschiedene Methoden für das Training. Wenn die ausgewählte Methode nicht funktioniert, wechselt man schnell zu einer anderen. Teilweise passt das Training manchmal nicht zu dem Menschen oder zu dem Hund, teilweise haben sich aber auch Fehler eingeschlichen, die den Erfolg verhindern.

Nun also zum Thema dieses Blogartikels: Ich erzähle Dir von 5 häufigen Trainingsfehlern, die Du besser vermeiden solltest in Deinem Leinenführigkeitstraining.

Fehler Nr. 1: Kein genaues Ziel

Die erste Frage, die ich meinen Kunden stelle in einem Coaching zum Thema Leinenführigkeit ist „Was ist denn dein Ziel?“. Wie schon im letzten Blogartikel erwähnt, ist mir eine Antworte wie „Er soll einfach nur nicht mehr ziehen“ zu ungenügend. Warum? Weil es zum einen sehr schwer ist, einem Hund einfach nur beibringen zu wollen, etwas nicht mehr zu tun. Wenn ein einfaches „Nein, tu das nicht mehr“ ausreichen würde, würden es wohl viele verzweifelte Hundehalter tun. Zum anderen fokussierst Du Dich mit dieser Antwort ausschließlich auf das unerwünschte Verhalten Deines Hundes. Du konzentrierst Dich darauf und wirst auch nur dann aktiv, wenn sich der Hund so verhält, wie Du es eigentlich nicht möchtest. An dieser Stelle noch mal der kleine Test für Dich: Denke jetzt nicht an einen rosa Elefanten! Schaffst Du es?

Viel wichtiger ist es, dem Hund beizubringen, wie er sich denn verhalten soll an der Leine. Nicht, wie er sich nicht verhalten soll. Also zurück zur Eingangsfrage „Was ist denn dein Ziel“? Für eine gute Zieldefinition ist es hilfreich, sich an den bekannten W-Fragen zu orientieren. In unserem Fall: „Was soll Dein Hund tun?“, „(Ab) wann soll er es tun?“, „Wie lang soll er sich so verhalten?“ und „Wo soll er das gewünschte Verhalten zeigen?“. Hier darfst Du Dir Deine ganz individuellen Wünsche formulieren. Eine Möglichkeit wäre: Mein Hund achtet selbst auf die Leinenspannung, sodass ich die Leine dauerhaft mit zwei Fingern halten kann. Er orientiert sich an mir, läuft dorthin, wo ich hingehe und bleibt an meiner linken Seite (auch vor mir/ hinter mir). So verhält er sich, sobald ich den Karabiner im Halsband einklicke und bis ich ihn wieder ableine. Er zeigt dieses Verhalten überall, egal ob wir am Strand, im Wald oder in der Stadt spazieren gehen.

Fehler Nr. 2: Kein genauer Plan

Fehler Nummer 2 schließt sich gedanklich direkt an die eben beschriebene Zieldefinition an. Wer kein genaues Ziel hat, hat meist auch keinen genauen Plan geschmiedet. Sprich: Trainierst Du mal eben so frei nach Schnauze dort, wo es gerade passt, hemmst Du euren Erfolg. Ein menschliches Beispiel wäre das Erlernen einer neuen Fremdsprache. Möchtest Du Dich gerne einmal in China auf einem Markt mit jemandem unterhalten, der fließend chinesisch spricht, wird es sehr schwer für Dich, wenn Du Dich einfach ins Getümmel stürzt, ohne Dich vorher ganz in Ruhe mit den Basics bekannt gemacht zu haben. Du wirst abgelenkt werden von anderen Menschen, die sich unterhalten, eventuell ist es laut, es gibt Straßenverkehr, irgendwo fällt etwas um. Du kannst Dich so nicht gut auf Dein Gegenüber konzentrieren und verstehst alles noch viel schlechter.

Bei Deinem Hund ist das nicht anders: Hast Du das Ziel formuliert, dass Du mit Deinem Hund leinenführig und entspannt durch die Innenstadt spazieren möchtest, beginnt euer Training wo? Richtig! Bei Dir im Wohnzimmer oder im Garten (oder zumindest irgendwo, wo keine Ablenkung wartet). Nun überlegst Du Dir vorher alle einzelnen Schritte, die Du erfolgreich trainieren musst, bis ihr euch in die Innenstadt wagen könnt. Klappt es gut im Garten? Prima! Dann suchst Du Dir ein ablenkungsarmes Stückchen auf eurem Lieblingsspazierweg. Dieses Stückchen baust Du nach und nach aus. Danach geht es an das nächste Ziel, zum Beispiel der Weg, auf dem es häufig Wildspuren gibt. Das klappt auch? Dann nimmst Du Dir als nächstes den Fußweg durch euer Dorf vor.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in Deinem Plan nicht fehlen darf, ist die Belohnung. Sie sollte Deinen Hund nicht vollkommen hochfahren, aber er selbst sollte sie definitiv als Belohnung empfinden. Und noch viel wichtiger: Zeige ihm eben nicht immer nur, was er falsch macht. Beginne Dein Training immer mit dem richtigen Verhalten und lobe/ belohne auch, wenn er sich richtig verhält. Das ist tatsächlich ein Punkt, der bei der Leinenführigkeit sehr häufig vergessen wird. Und bedenke an dieser Stelle: Für einen Hund, der unbedingt weiter nach vorne möchte, kann die Belohnung das Weitergehen an sich sein. Wichtig ist aber, dass Du genau dann weitergehst, wenn Dein Hund die Leine entspannt.

Fehler Nr. 3: Dauertraining

Das klingt nun etwas irritierend, aber ich möchte diesen Punkt einmal im Detail aufgreifen. Tatsächlich erlebe ich es sehr oft (und da nehme ich mich selbst nicht aus), dass man beim Leinenführigkeitstraining dazu neigt, sofort den ganzen Spaziergang üben zu wollen. Oder man hat sogar das Gefühl, durchgehend üben zu müssen, weil man sich das bisherige Training nicht kaputt machen möchte. Das schafft aber niemand, was auch völlig normal ist. Es würde ja bedeuten, dass wir uns ab dem Anleinen bis zum Ableinen 100%-tig und ausschließlich auf unseren Hund konzentrieren: Wir loben, wenn er sich richtig verhält und teilen ihm mit, was unerwünscht ist. Bei einem stark ziehenden Hund, dem es dementsprechend schwer fällt, an lockerer Leine zu laufen, wäre dies schnell sehr anstrengend und frustrierend. Ein Training ist nicht dazu da, schnell voran zu kommen, denn es geht um das Verhalten, richtiges Timing, aushalten, korrigieren und Konsequenz. Allerdings muss unser Hund ja trotzdem raus und manchmal haben wir es einfach eilig.

Damit Du trotzdem Deinen Alltag gut bewältigen kannst, ist es wichtig, Deinem Hund mitzuteilen, wann Du trainierst und wann nicht. Übersetzt: Wann ist es okay, auch mal zu ziehen und wann kann Dein Hund 100%-tige Konsequenz von Dir erwarten? Dabei solltest Du das nutzen, was am praktischsten für euch ist: Leine am Halsband = Training/ Leine am Geschirr = Alltag. Oder: Leine am Geschirr = Training/ Leine am Geschirr + Halstuch umgebunden = Alltag.

Fehler Nr. 4: keine Konsequenz

Um erfolgreich die komplexen Dinge in unser gesellschaftlichen Welt verstehen zu können, benötigen Hunde viele Wiederholungen und Konsequenz. Möchtest Du nicht, dass Dein Hund an der Leine zieht, sollte er ab dem Zeitpunkt des Einzugs bei Dir keinen Erfolg mit diesem Verhalten haben. Ich erwähne diesen Punkt extra, weil er sich so einfach anhört und eigentlich auch bekannt ist, er aber doch passiert. Ist bei Dir ein Welpe eingezogen, sollte auch jetzt schon daran gearbeitet werden, dass der kleine Vierbeiner versteht, wie man an der Leine voran kommt und wie nicht. Auf der anderen Seite wartet sein Hundekumpel? Prima! Habt ihr bereits große Fortschritte in der Leinenführigkeit gemacht, nutze genau diese Situation zum Üben. Steht ihr noch am Anfang des Trainings, regel die Situation anders: Nutze dann beispielsweise das Geschirr anstelle des Halsbands, nimm ihn ein Stück auf den Arm oder locke ihn mit Dir. Überzeuge ihn, dass es sich lohnt, bei Dir zu bleiben.

Der optische Unterschied zwischen Training und Alltag sollte bestenfalls so präsent sein, dass Dir wirklich bewusst ist, wann du konsequent sein musst. Gehst Du gern gemeinsam mit Deiner Nachbarin/ Deinem Nachbarn/ Deinem Freund/ Deiner Freundin spazieren, trainierst Du dann entweder ganz bewusst oder Du lässt das Training einmal ausfallen. Weißt Du, was mir selbst schon mal passiert ist? Ich wollte nur kurz auf mein Handy schauen, mein Hund wollte in dem Moment zu einem Busch und mein Arm verlängerte sich automatisch zur Seite und gab meinem Hund mehr Leine. Einfach nur, weil ich abgelenkt war. Für meinen Hund bedeutete dies allerdings, dass er erfolgreich weiter gekommen ist an gespannter Leine.

Mache Dir also bewusst: Für Deinen Hund kann in dieser Situation ein einziger Schritt in Richtung Busch Erfolg bedeuten. Passiert dies häufiger, hat er ganz schnell verstanden, dass nur oft genug versuchen muss zu ziehen, irgendwann wird es schon klappen und die Bremse am anderen Ende der Leine gibt nach.

Fehler Nr. 5: zu schnell wechselnde Methoden

Informiert man sich über das Training für eine lockere Leine, trifft man auf nahezu unzählige Möglichkeiten: Videos, Bücher, Blogs, Seminare. Stehen bleiben, umdrehen, locken, blockieren. Mit Leckerlies, ohne Leckerlies. Körpersprachliches Arbeiten oder verbale Hilfen geben. Es gibt hier pauschal kein richtig oder falsch. Was es aber gibt, sind Methoden die zu Dir und Deinem Hund passen und Methoden, die eben nicht zu euch passen. Hier eine pauschale Angabe zu machen, wer welche Methode nutzen sollte, ist nicht sinnvoll. Was man aber bedenken sollte, wenn man ein Training beginnt ist, dass die Trainingszeit bei fast allen Methoden nicht nur ein oder zwei Wochen beträgt. Nach einem kurzen Versuch direkt in die nächste Methode zu wechseln, kann für mehr Verwirrung sorgen und Deinen Hund stressen.

Denke an Deinen Trainingsplan zurück: Du hast hier einzelne kleine Schritte definiert, die gut funktionieren müssen, damit ihr euch gemeinsam an die nächste Schwierigkeitsstufe wagen könnt, wie bei einer Treppe. Ich würde Dir ans Herz legen, ein Trainingstagebuch zu führen. Dabei ist es völlig ausreichend, wenn Du Dir eine Tabelle zeichnest und links die einzelnen Trainingsschritte von oben nach unten in den Zeilen notierst. Rechts trägst Du in die Spalten einfach nur das Datum ein und wie euer Training war (Schulnoten von 1-6, Smileys, Stichpunkte…). So hast Du den Trainingsverlauf immer im Blick und kannst schnell ausmachen, ob und welche Fortschritte ihr macht.

Zuguterletzt kann ich dann nur noch sagen: Durchhalten! Durchhalten! Durchhalten! Habe immer wieder Dein Ziel vor Augen und stelle Dir vor, wie es sein wird, wenn ihr dieses Ziel erreicht habt. Viel Spaß und Erfolg bei eurem Training!

Dies war der zweite von drei Artikeln zum Thema Leinenführigkeit. Wir haben uns 5 typische Trainingsfehler angesehen, die Du besser in Deinem Training vermeiden solltest. Ich hoffe sehr, dass Dir diese Punkte weiter geholfen haben. Falls Du etwas hast, das in dieser Liste auf keinen Fall fehlen sollte, lass es mich gerne wissen – entweder als Kommentar oder per Nachricht. smile
Nächste Woche werde ich Dir ein paar sehr beliebte Trainingsmethoden erläutern. Also, bleib dran und bis nächste Woche!

Gähnt Dein Hund im Training, kann dies ein Anzeichen für Stress sein. 

Kommt der Hund an der Leine weiter voran, während er zieht, hat er mit seinem Verhalten Erfolg.

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