Hilfe, mein Hund jagt!
Was tun, wenn der eigene Hund ambitioniert und unkontrolliert jagt?
Wenn der eigene Hund ungewollt ambitioniert jagt, stellt dies so manchen Hundemenschen vor große Probleme. Der Mensch wird zunehmend frustriert und der Hund lernt nicht, was er tun soll oder darf.
Herbst 2016: Es ist ein warmer Tag. Der Boden ist noch feucht vom Regen. Gemütlich gehe ich mit Cisco auf einem Feldweg in Richtung Kieskuhle spazieren. Da man dort meist für sich ist, läuft Cisco ein paar Meter vor mir ohne Leine. Er trägt seinen orangenen Ball im Maul. Und dann: ein ganz kurzes Anspannen, der Hundekörper friert ein und starrt in Richtung Feld. Ich denke mir nichts dabei, sage „Komm…“ und schlendere weiter. Cisco jedoch lässt seinen Ball fallen und rast in einem Affentempo Richtung Feld. Ich bin völlig schockiert – Bisher hat er sich nicht einmal für Rehe oder Hasen interessiert, wenn sie direkt vor uns über die Straße gerannt sind. Und nun sehe ich hilflos meinen Hund in Richtung zweier Rehe rennen, die in 30 oder 50 Metern Entfernung stehen.
So oder so ähnlich erleben es wohl viele Hundehalter, wenn der eigene Vierbeiner das erste Mal auf und davon ist, um zu jagen. In meinem Fall drehte Cisco glücklicherweise nach kurzer Zeit wieder um. Doch für mich war es eine Lehre! Nun stand vor allem eins auf unserem Plan: Antijagd-Training
Jagen ist nicht gleich jagen
Ob Dein Hund „echtes“ Jagdverhalten zeigt, ist manchmal auf den ersten Blick nicht direkt erkennbar. Es gibt große Unterschiede zwischen „hinterherhetzen weil es Spaß macht“ und „vertreiben wollen“. Auf den ersten Blick sieht das Verhalten ähnlich aus: Der Hund spannt sich an, fixiert eventuell den Auslöser, erstarrt… und rennt jiffend, bellend oder kläffend hinterher.
Zuerst solltest Du die Grundbedürfnisse Deines Hundes und euren Alltag überprüfen:
- Könnte Dein Hund Schmerzen haben (Tierarzt- und Physio-Check)?
- Hat er seiner Rasse entsprechend ausreichend Beschäftigung?
- Gibt es Situationen, in denen Dein Hund regelmäßig sehr gestresst ist?
- Hat er genug Ruhephasen, besonders nach sehr aufregenden Erlebnissen?
Ja, mein Hund jagt!
Geht es Deinem Hund gut, sind seine Bedürfnisse grundlegend im Alltag erfüllt und er zeigt „echtes“ Jagdverhalten, kannst Du mit einem gut strukturiertem Plan beginnen. Zuerst einmal das Gute: Du bist nicht allein. Das Jagdverhalten ist in der Erbkoordination eines jeden Hundes gespeichert. Je nach Hund, Rasse, Eigenschaften und gemachten Erfahrungen wird es unterschiedlich ausgeprägt gezeigt. Ein Malteser oder Havaneser zeigt Jagdverhalten i.d.R. weniger stark. Ein Beagle, Jgadterrier oder Magyar Vizsla häufgier. Es wird aufgeteilt in unterschiedliche Sequenzen:
Ungerichtetes Jagdverhalten –> Orten –> Fixieren –> Anpirschen –> Hetzen –> Packen –> Töten und fressen
Nun beobachte Deinen Hund im zweiten Schritt und analysiere, welche Sequenzen er zeigt. Für ein entspanntes Miteinander ist es wichtig, Jagdverhalten frühzeitig zu erkennen und lenken zu können. Was nicht funktioniert, kann mir fast jeder Hundehalter berichten: verbieten und bestrafen.
Versteh mich nicht falsch: Grenzen sind für einen ungewollt jagdlich ambitionierten Hund (über-)lebenswichtig. Die erste und wichtigste Regel lautet daher: Absicherung und jagen verhindern. Allerdings führt dies in der Regel nicht zu mehr Freiheit und Kontrolle im Alltag. Es handelt sich um Managementmaßnahmen, die langfristigen Trainingserfolg erst ermöglichen.
Die Basis für mehr Kontrolle und Freiheit
Positives Training bedeutet viel Planung und Arbeit, aber auch einen nachhaltigen Effekt. Dein Ziel ist die perfekte Signalkontrolle, was den Rückruf, das Stoppen und das „Sitz“ betrifft. Wie auch sonst im Grundtraining, müssen die Signale zuerst ohne Ablenkung zuverlässig funktionieren.
Notiere Dir Dein Trainingsziel: In welchen Situationen muss das Signal klappen? Plane kleinschrittig: Wie kannst Du in die Richtung des Ziels trainieren? Welche Ablenkungen kannst Du als Stellvertreter verwenden (ein fliegender Ball, eine Reizangel, eine Hasenzugmaschine)? Erst, wenn die Signale in gestellten Situationen zuverlässig sind, werden sie im Ernstfall abgefragt, wenn das Reh über den Weg flitzt.
Die richtige Belohnung
Da Du weißt, welche Jagdsequenzen Dein Hund mit Vorliebe zeigt, kannst Du ihm dies im kleinen Rahmen gemeinsam mit Dir ermöglichen – Als Belohnung für erwünschtes Verhalten quasi. Dabei ist wichtig, dass Du die Belohnungen ankündigst mit einem Marker und die Umsetzung der Signale absicherst. So lernt Dein Hund, welches Verhalten genau zur Belohnung geführt hat. Außerdem hast Du eine Möglichkeit einzugreifen, sollte Dein Hund einmal zögern.
Hier ein paar Ideen:
- Dein Hund stöbert gerne im Unterholz? Dann verstecke ihm kleine Leckerlies im hohen Gras oder bereite eine Fährte vor.
- Dein Hund fixiert gerne? Dann lass ihn auf Signal ein Spielzeug oder ein Futterstück belauern.
- Dein Hund hetzt gerne? Lauf vor ihm weg, sodass er Dich hetzen kann, schleudere Leckerlies auf den Weg oder belohne ihn mit einer Hetzangel.
- Dein Hund packt und schüttelt gerne? Spiele mit ihm mit einer Beißwurst, einem Zergel, einem Baumwolltau oder einem alten T-Shirt.
- Dein Hund frisst einfach gerne? Dann variiere die Art des Leckerlies und auch die Gabe (Käse, Leberwurst, Leberkäse, Würstchen, gekochtes Hühnchen – werfen, geben, fallen lassen, kegeln/ rollen, verstecken…
- Dein Hund liebt Spielzeug! Es gibt Dummys mit und ohne Fell und auch welche, die befüllbar sind. Es gibt sogar Hasen- und Wildduft zu kaufen. Probiere aus, was Dein Hund am besten findet.
- Dein Hund trägt gerne? Dann ist das Apportieren/ Dummy-Training bestimmt etwas für euch.
Rein in den Alltag
Nach erfolgreichem Training ist es nun Zeit, das geübte Verhalten auf dem Spaziergang im Alltag einzubauen. Das bedeutet, Du gibst Deinem Hund einen klaren Rahmen, in dem er sich aufhalten und bewegen darf. Zeige ihm, was seine Aufgaben sind und belohne dies ausgiebig. Für Deinen Hund ist es viel Arbeit, nicht automatisch hinter einem Reh hinterher zu rennen. Er muss seine eigenen Impulse zurückstellen, weshalb positives Training so wichtig ist. Dein Hund muss wissen, dass es sich lohnt und Du so cool bist, wie das wegrennende Tier.
Zögert Dein Hund und hat etwas im Gebüsch entdeckt, dann belohne ihn. Denn verharren und anzeigen ist um einiges besser, als hetzen. Klappt das, dann zögerst Du Dein Markersignal (Wort, Geräusch oder Clicker) in kleinen Schritten hinaus. So kannst Du zukünftig das Umorientieren bestätigen und nicht mehr nur das Fixieren.
Dein Hund ist einzigartig!
Nimm‘ Deinen Hund als das wahr, was er ist. Fördere seine Stärken und gib ihm Hilfestellung, wenn es um seine Schwächen geht. Suche euch ein gemeinsames Hobby und konzentriere Dich auf das Positive. Benötigst Du Hilfe bei der Umsetzung, dann schreibe mir gerne eine Nachricht. Oder schau hier nach dem nächsten Kursstart „Jagdkontroll-Training“. Mit Gleichgesinnten in einer kleinen Gruppe fällt das regelmäßige Training häufig leichter.
Ich freue mich auf Dich und Deinen Hund!
Je nach Rasse, Eigenschaften und gemachten Erfahrungen zeigen Hunde unterschiedlich stark ausgeprägtes Jagdverhalten.
Stehen und fixieren ist besser als hetzen. Im zweiten Schritt kann der Fokus auf die Umorientierung zum Menschen gelegt werden.
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An einigen Stellen habe ich unsere Fellnase auch wieder erkannt;)
Schöner Advent
Niklas